Les enfants perdus
Die Schwangere und der Gatte hinter der Raststätte
Der Gatte schirrt im Straßengrau
die Wortehülsen an den Liebesstau.
Sein Pfau verteert das Sommerkleid.
Im Tonnenlicht der Billig – Reisen
stürzt Leibesfrucht,
ummantelt Gürtelreifen.
Zwei Mädchen fahren blind.
Ihr Abrieb streut.
Die Eltern atmen Kind.
Die Fastfood Stätte lagert müde
zum Morgen hin.
Der Zwillingsreifen singt.
Die Kolben lecken heißes Eisen,
die Einwegtüte flattert
tomatenrot im Morgenwind.
Lied der Zurückgelassenen
Meine Gedanken an meine aus dem Körper Gestürzten
verbrennen meine Gedanken.
Lodernd.
Sie werden um dich Ringelreih tanzen und deinen Namen, den es nicht gibt,
dir in die Kniekehlen spucken.
Zünd diesen Pfau an.
Wenn die Zwillinge auf dem Asphalt ausblühen,
Lieder über die Felder singen,
leer ich mein Blut über dein Rad, in dem Asseln einnisten.
Jemen. Die Hafenstadt Aden
.
Rotglühende Finger in eiserner Tracht,
vom Meer getrennt,
erstarrt im Gehäuse,
sprengen die Nacht.
Komprimiert, verdichtet, entbrannt,
frisst die Lagune, rodet die Segel,
reißt die Schiffe, entzündet die See.
Flüchtender Himmel spiegelt das brennenden Haff.
In den Hafen gespült
vom Pier hinab
endet das Wesen der Stadt.
Kosice
Ungarn 26.6.1941. Hitler wirft Bomben auf die ungarische Stadt Kosice. Ungarn glaubt an einen Angriff Stalins. Kriegseintritt Ungarns gegen Russland erfolgt.
An einem Schabbat, wir saßen im Garten,
warf sich die Sonne auf Kosice.
Das Gehöft erbrach in die Keller.
Feuer ritt auf dem Dach,
Mohn brandete gegen die Stadt.
Splitter kappten den Lindenbaum,
öffneten Anya die Stirn.
Rosfarbenes Harz rann aus der Vergangenheit,
spülte die Sorgen der Mutter zum Hang.
Die Magd unterm Stein klagte,
dem Haus fehle die Leichtigkeit.
Hände mit Nägeln der Nachbarn
schafften vom Leib ihr den Stein.
Geschrien hat sie: Schabbat.
Gott verdamme euch.
Tot war sie. Schabbath.
Ich sah den Hund, geteilt, zwischen dem Halm.
Die letze Feier.
Mandelblütenring im Tanz
glüht am Honig – Hang.
Junger Knab im Sturm,
springt hinab zum Kahn.
Sonne splittert das Gebälk,
wirft zum Äther Rauch.
Trinkt den Becher, füll mit Rot,
schreit das Leben, brüllt der Tod.
Knabe winkt mit leichter Hand
überm Boot dem Fisch.
Blaues Rinnsal wellt im Nass,
Adern fließen, wölben sich.
Augenfische dämmern,
Schattenbüsche längen sich.
Schicksal trübt das Augenlid
Lebenswein gerinnt im Licht.
Mutter schläft im Spiegel – Split
Vater reibt am Felsenriff.
Nach dem Sturz,
das leere Beet.
Dornentränen
umhegen Leib
mit roten Fäden.
Zur ewigen Kneipe
Wenn drei Augenpaare sich begegnen, wenn dreiMünder lächeln, wenn die Augenpaare die Augenpaare wechseln, und die Münder an ihren Gläsern nippen und lächeln, und die Münder keine Worte mehr wechseln, weil sie längst müde sind, lächelt die Zeit mit den Augen und fließt über die Mundränder ab.
Die Stationsschwester
Wer sind sie? Haben sie sich angemeldet? Sind sie mit der Patientin bekannt? Sind sie mit ihr verwandt? Haben sie Blumen mitgebracht? Warum haben sie Blumen mitgebracht?
Sollten sie Blumen mitgebracht haben, ohne Genehmigung mitgebracht haben, müssten sie diese Blumen zuerst an der Pforte genehmigen lassen. Eine weiße Nonne füllt den geöffneten Türrahmen. Eine weiße, weiche Nonne steht in der Türe und beschreibt ihren Sinn. Haben sie Blumen? Blumen sind unten an der Pforte, dort, wo der gelbe Postausgangskasten hängt, neben diesem, zwei Schritte entfernt, bei der Dame mit den zurückgebrachten Blumen zu genehmigen. Nur selten erteilt die Dame eine Bewilligung. Praktisch werden sie nie bewilligt. Ich verstehe und gehe. Da ich blumenlos bin, erlaubt dieser Engel Gottes mein Gehen. Ich gehe durch die Gänge und begegne Menschen, die ihre Blumen, nicht genehmigte und nicht bewilligte Blumen, die sie zur Pforte zurückgetragen hatten, neben dem gelben Postkasten, zwei Schritte daneben, bei der Dame mit den Blumen, nicht genehmigt und bewilligt bekommen haben, die sie nun, die nicht Erwünschten mir anbieten, sie mir fast aufdrängen wollen, denn ich bin blumenlos. Sollte ich – ich bewege mich zum Ausgang – sollte ich diese mir aufgedrängten Blumen, die sie mir in die Hand drücken, genehmigt und bewilligt bekommen, könnte ich sie auf dem Fenstersims neben dem Blumengenehmigungsschalter abstellen und mit den Bewilligungsetiketten, sichtbar für die Erfolglosen, denen ihre Blumen abgenommen wurden, könnte ich sie für die, die nicht das Glück hatten, Blumen bewilligt bekommen zu haben, dort hinstellen. Ich könnte mich seitlich neben dem Postausgangskasten an die Wand lehnen und diese, die zuvor ihre Blumen hergeben mussten, weinend und lachend, natürlich erst dann lachend, wenn sie meine genehmigten Blumen auf dem Fenstersims gesehen hätten, könnte ich sie lachend laufen sehen zurück zu ihrer Kranken.
Das Winter Gewitter
Weißer Mull, unendlich viel weißer Mull hat sich auf den Atem der Stadt gelegt. Die Farbe verstummt. Kinder, Väter, Mütter starren ungläubig auf die von den Dächern stürzenden Schneemassen. Die Wut des Himmels erschreckt die
Menschen. Es ist Dezember und der Himmel, jammern die Alten, rächt vor der Geburt den Tod seines Sohnes. Und die Greise und ihre Weiber wickeln sich fröstelnd in ihre gehäkelten Stores und blicken den Augapfel des göttlichen Zorns.
Und die Häuser halten sich zitternd mit dem beladenen Dächern über dem schneeigen Sumpf. Und die Lernschwestern im kliniknahen Schulungszentrum umwickeln beflissen die Arme ihrer Freundinnen mit weißen Bandagen und stillen das heiße Blut ihrer Schwestern. Von Speerspitzen träumen sie und üben im
Stillen.
Das Flugzeug stürzt.
Aus den Wolken, blutend, sticht des Himmels Titan.
Beraubt ihrer Bestimmung, nahe dem Seeteufel,
schwebt anämisch die Luxustüte. Grünglasgelee umschweigt die vergoldete Hülle. Nach Salto und Pirouette schlagen bäuchlings die Gäste, zeitverschoben, hart auf Metall. Das Riff reißt den Balg des bleiernen Vogels, spreizt seinen Bauch, schächtet das Tier.
Hochschießende Silberspäne schneiden die See.
In seinen Bauch ergießt sich der Schwertfisch.
Der Toten Arme grüßend, schlingern versonnen im Laich.
Verrückt ist der Rumpf, entrückt hat sie die See.
Die schwarze Energie
Alle Wanderer treibt der Sturm herauf in die Höhe zum Krater. Dorthin bläst der Nord unerbittlich die schwarzen Flocken, aufstürzend vom tiefliegenden Tal, dahinstiebend über nachtdunkle Tannenlaken, gepeitscht von den Winden über den steinernen Überhang, hin zur Altarkrone. Auf dem Kamm lagert sich das elebte ab. Kein Haupt führt hier Regie. Das schwarze Loch höhnt und saugt in sich die Welt.
Das schwarze Loch.
Die Reise ins Innere nähme dann Fahrt auf, heiße es in der Welt, es verliere sich im lichtlosen Raum der Sinn darinnen. Es zögen unmenschliche Kräfte an den Beinen, stülpen den Körper aus, das Innwendige kehre nach außen. Der menschliche Schlauch dehne sich, winde und wende sich wie das Gedärm eines Hindus im heiligen Wasser zur Waschung. Was dort Unten, was dort Oben sein wird, was nach der Fahrt durch das Loch sein wird, weiß niemand. Vor Tagen ist meine Tochter vorausgeeilt. In meinen geschwärzten Handflächen mäandern die Flussadern ihrer Landschaft. Versunken, wasserlos, führen sie zu ihrem Herzen, zu ihr. Ich sehe in ihrer Zeichnung meine Last und ihr Leid.
Chor: Die Kleider sind Fangarme.
Sie saugen sich in meine Haut.
Hinab muss ich.
Das Weltenkleid,
Trugbild leerer Gefühle,
hat seine Währung verloren.
Die brennende Vogelscheuche
Blaulicht im Sinkflug,
Rote Garben im Schilf.
Rauchendes Öl auf den Wassern.
Ihr Drahtkleid hebt sich im Aufwind,
will himmelwärts fliegen,
scheucht den Flug der fallenden Lärche.
Weib und Seele schnürt das Geflecht,
erdet das Muster im Fleisch,
schneidet die Schenkel
schärft die Rippen.
Strömendes Haar im Schlot.
Die gesplitterten Nägel spielen den Falken den Fuchs.
Nachruf für König Faruck
Hör zu, ich saß, vielleicht im Traum,
nach harter Folter – Tod den Feinden –
im Ile de France zu Rom in Sommernacht.
Ein Rollstuhl, breiter als die queere Tafel,
fuhr einen Fleischberg in das Restaurant.
In dessen Gipfel fächelten die Ober
dem eingesunkenen Schädel im Spalier.
Der aß
12 Austern in Tabasco Sauce,
für vier Personen Hammelkeule,
3 große Schalen Pommes Frites,
2 Liter Ingwerlimonade
zum Nachtisch Sahne, Eissorbet und Kuchen.
Zum End durchrollte Stöhnen,
Ächzen, Furzen den Salon.
Der Tisch spie Angesäuertes zum Lüster.
Zu Boden plumpst der Kopf vom Fleisch.
In Kairo aus dem Schloss gejagt,
verlor mit Lamm und Auster
in dieser Nacht
der König Faruq Leib und Seele.
Auf düsterer Straße sank die Hurentax.
in arbeit
Roman „Neuronenestau“
Berlin – Lagos – Ashkelon- Teheran
Roman „Neuronenstau“
Mehrere Erzählstränge führen die ins Leben Zurückgekehrten wieder zueinander. Die Familie Maria und Herbert Sommerland, eine achtbare mit drei Töchtern gesegnete Familie schafft die Folie, auf der die Protagonisten, Keelchen, die Wiedergängerin des Fötus von Goethes Gretchen, ihr Liebhaber von Faustscher Prägung, der Albino Wotokaduku, die Kriegsreporterin Dana Sommerland, entsprungen einem außerehelichen Fehltritt ihrer Mutter, der Schauspieler Semper Albèrt, der in einer filmischen Aufbereitung der Schiffstragödie Wilhelm Gustloff zu Ruhm gelangt, ihr Leben in einem vom Spätkapitalismus dominierten Epoche nocheinmal gestalten.
Die Seele des Schauspielers Semper Albèrt 2020 war schon einmal zu Gast in der Figur des Semper Albertina 1876.
Semper Albertina, ein Wiener Schauspieler, 1876 in der Spiegelgasse als Sohn eines Kurzwarenhändlers geboren, lernte seine Zukünftige, Helene Streicher, im Apollo,
einem Volkstheatertempel am Spittelberg kennen. In Liebe entbrannt, ohne gesichertes Einkommen, mit dem übersteigerten Wunsch viele kleine Helenchen in die Welt zu setzen, rang ihm die fromme Helene das Gelübde ab, sich bei der Marine Assekuranz der Norddeutsche Loyd NDL, bei der Vater Streicher schon Jahrzehnte zugebracht und sich einen veritablen Posten erarbeitet hatte, zu verdingen. Zeit seines Lebens trauerte Herr Albertian trotz beruflicher Meriten seinem Schauspielberuf nach. Mit 30 erhebt er die Feder wieder die Gleichförmigkeit seines Berufs. Er beginnt mit dem Schreiben von Schiffsdramen.
Sein Dramolett, „Die Cimbre, Leidenschaft und Untergang“, das eine Liebesgeschichte verbunden mit der Kollision des deutschen Passagierdampfers Cimbri am 30. Mai 1883 mit dem englischen Frachter Sultan verknüpft, in dessen Folge 437 Menschen zu Tode kamen, wurde in der Kronenzeitung 1907 abgedruckt.
Als jedoch das 7. Kind, der einzige Sohn der Albertinas, beim Spielen mit drei Jahren in einer Lache 1908 ertrunken war, verbat sich Helene solch unsinnigen Zeitvertreib.
1914 bis 1917 kämpfte Semper als gemeiner Soldat gegen die Franzosen in Verdun, bis ihn der Kommandant 1917 vorzeitig wegen seiner plötzlich auftretenden Fallsucht
in die Heimat zurück schickte.
Der 41 jährige Kriegsinvalide wurde von der NDL nicht mehr eingestellt. Seine Frau, die Kinder waren außer Haus, verdingte sich als Putzfrau bei diversen Herrschaften. 1932
verstarb Helene an Herzinsuffizienz.
In jenen Tagen der Trauer griff Semper zu Wein und Feder und schuf sein wichtigstes Dramolett. Der Roman „Die Eisnacht auf der Titanic“ wurde als Fortsetzungsroman in mehreren Wiener Tageszeitungen abgedruckt. Dem literarischen Oeuvre gelang sogar der Sprung bis hinein in den bayrischen Raum. Mit dem aufkommenden Nationalsozialismus mehrten sich die Anfragen der Presse. Bald gelang es Semper Albertina mit seinen Untergangs Elogen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sein
Werk, in dem die letzten Stunden des Passagierschiffs Austria, auf der am 13.9.1858 ein Feuer ausgebrochen war, 1933 pastos aufflammten, blieb unvollendet. Im Rausch, nicht des Schreibens, herrührend von Wein, Schnaps und Trauer, verlor der Schriftsteller das physische Gleichgewicht, stürzte kopfüber, wie sein Sohn Atter, als er irrigerweise des Nachbars Vorgarten betrat, in dessen flachen Seerosentümpel. Die Witwe der Einliegerwohnung – die Hausbesitzer schulten ihr politisches Gewissen im fernen München – sorgte sich mehr um die Goldfische, denn um den gewässerten Herren, dessen Seele sich längst zu den 471 Toten der Austria gesellt hatte.
Frühmorgens sah aus dem Teich Herr Albertina und zählte die Wolken. Wenig davon beeindruckt, schwammen die Zierfische um das von vielen Ädern durchzogenen, weiße Trinkergesicht……
Anmerkung des Autors : Die Seele des Herrn Semper Albertina fand sich wieder im Corpus des Schauspielers Semper Albèrt im 21 Jahrhundert.