(..)Sinn-Chaos, Theater-Alptraum, Psychokrimi – es sind stets ähnliche Begriffe, mit denen Zuschauer und Kritiker zu beschreiben versuchen, was sie während der Aufführungen des Münchner Dramatikers N. G. Neuner, 55, empfinden. Seit Anfang der achtziger Jahre experimentiert der Gründer des ETA Theaters in seinen Stücken mit Sprache, Bewegung, Ton und Raum, setzt mit filmischen Mitteln wie Schnitt, Gegenschnitt, Zeitlupe oder Rückblende Szenen zusammen oder zerschlägt sie, improvisiert mit seinen Schauspielern so lange, bis die Grenzen zwischen Montage und Demontage verschwimmen. Trotzdem schafft er es, seine Bühnen-Abenteuer lustvoll zu gestalten. (..) DER SPIEGEL 46/1997
SZ Kritik 29.3.2019
„Doppelhelix“
Abgesang auf die Götter
Was für eine fiese Bagage. Auf einer die Rückwand der Halle einnehmenden Leinwand hocken die Produzenten, von deren Geld und Gnade der Meisterregisseur David Pynch abhängig ist, nachdem er einen großen Flop gelandet hatte. Höhnisch keckernd lehnen sie sein neues Drehbuch über die vorislamische Göttin al-Uzza ab, und gestatten ihm schließlich eine Neuverfilmung seines Frühwerks „Wild Flowers“, dessen Dreharbeiten im Anschluss beginnen:
…wartet im besetzten Paris eine „L`amour“ hauchende Lyrikerin aus Klagenfurt (klasse: Lucca Züchner) auf ihren Geliebten, ehe wir ein Liebesdrama des Kalten Krieges erleben
….Was fürderhin geschah, ließ sich nur noch vage erahnen. In der Performance des ETA Theaters „Doppelhelix“, die nun im Mucca Premiere hatte, schlägt Gert Neuner wieder gewaltige, gedankliche Bögen…..
…nach einem obskuren Terroranschlag versinkt die Crew im Meer und taucht aus einer die Bühne bedeckenden Plane zwischen schäumenden Wellen wieder auf….
Pynch hat eine kreative Erleuchtung: „Ein neues Meisterwerk erblüht in mir“.… und ordnet zum Casting eine Waterboarding an.
Die Inszenierung trumpft mit packenden, düsteren Bildern auf
Der befreite Geniemann spielt sich als brutaler, Menschenmaterial verschleißender Tyrann auf.
Auf der Leinwand erscheint al-Uzza, beschwört die schwarze Madonna von Altötting, ihre Schwestern im Geiste und deren mächtige Vulven. Das durch Gott legitimierte Patriarchat, hören wir, ist perdu.
Neuners Performance stimmt einen Abgesang auf die Herrschaft der alten, weißen Männer und Götter an, springt in Miniszenen und Monologen durch Europas von Krieg, Gewalt und Zerstörung geprägte Geschichte vom Zweiten Weltkrieg bis Sarajewo, verweist nebenbei auf die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer, macht verbale Ausflüge nach Ägypten und an die syrische Grenze, derweil Pynchs umherirrender Kameramann (Carlton Bunce) poesietrunken erklärt:“ Ich sammle das Lächeln, das Lächeln, das in den Rinnstein fällt“.
Für seinen jüngsten Coup hat Gert Neuner ein feines Ensemble zusammengestellt, in dem neben Lucca Züchner vor allem Sophie Wendt und Gabriele Graf glänzen.
Seine Inszenierung trumpft mit packenden, düsteren Bildern auf, und atmosphärisch gelingen ihr starke soghafte Momente…
2017
Trigger
(..) Im Spiegel auf der Bühne brillierten die Akteure, gleich den von Rotation Getriebenen in einer Welt, gleich den Sternen im Universum – (..) ‚ was nach der Fahrt durch das Loch sein wird, weiß niemand (..) C.M.Meier · www.theaterkritiken.com · April 2017 · komplette Besprechung lesen >>Der Kuss des Airbags
(..) In „Exit Neon“ brachte Gert Neuner beeindruckend nachhaltige Bilder auf die Bühne. Nun stellt sich die Frage, ob es möglich ist diese zu übertreffen, oder ob sie ein Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens waren und damit unübertreffbar? Kunstwerke eben. Erfahrbar sind sie zu verschiedenen Zeiten in immer wieder neuer Intensität. Wahrnehmung ändert sich und es ist als stünde man nach Jahren wieder in einem Museum vor einem Lieblingsbild, betrachtet es und verliert sich darin. Und jedes Mal ist es ein wenig anders. Das macht ein Kunstwerk aus. Die Bilder von Gert Neuner haben ihre Kraft behalten. (..)
C.M.Meier · www.theaterkritiken.com · 20.11.15Exit Neon
(..)Das Theaterprojekt Gert Neuners, das mit der Erzählung von Sebastians tragischer Lebensgeschickte einen stringenten Handlungsfaden besitzt, bewegt sich zwischen trashiger Installation mit bewusst dilettantischen Tanzeinlagen und poetischer Textfragment-Improvisation. Das ist alles andere als langweilig. Seit Anfang der Achtzigerjahre ist Regisseur Gert Neuner mit seinem ETA Theater in der freien Theaterszene aktiv und experimentiert mit unterschiedlichsten Formen. Sprache, Projektion, Raum und Bewegung verschmelzen, Dekonstruktion und Montage sind seine Werkzeuge. In zahlreichen Filmreferenzen und Anspielungen auf den Kuntstmarkt reflektiert „Exit Neon“ klug und unangestrengt die Grenzen und Absurditäten des Kunstbusiness.(..) Anna Steinbauer · Süddeutsche Zeitung · 24.11.14Amerika Amerika
(..)Wie immer fasziniert die Suggestionskraft der Bilder, die seine starken Schauspieler erzeugen.(..)
Barbara Welter · tz · 1.9.05Deathrow
(..) Weil die Dramaturgie des Horrortrips den Zuschauer vom Bedürfnis nach Verstehen befreit, erfreut die bizarre Revue nicht zuletzt durch hingebungsvolle Schauspielerei.(..)
Mathias Hejny · Abendzeitung · 19.5.00Multiple
(..)Sex und Blut und schrille Schreie kommen mit den Nebenfiguren im Lichtkegel über die Hintertreppe. Am Schluß, nach einer notvoll schönen Annäherung von Mutter und Tochter, geht alles kaputt. Es soll ein Hochhaus gewesen sein. Wer hat die Lunte gelegt?(..)
Ingrid Seidenfaden · Abendzeitung · 28.4.99Kirkestraat 7
(..)Wenn man sich von Begriffen und dem ewigen Begreifenwollen löst, hat man ein teuflisches Vergnügen.(..)
Ralph Hammerthaler · Süddeutsche Zeitung · 13.11.97Orph und Ridice
(..)Die Mini-Szenen entwickeln Sog, die Dialog-Partikel haben Pep, eine tolle Musik-Collage kitzelt die Sinne.(..) Barbara Welter · tz · 11.11.96
Thrill
(..)Die ETA Leute riskieren viel, es ist eine Lust, ihnen dabei zuzusehen.(..)
Marion Ammicht · Süddeutsche Zeitung · 7.5.95Mordlack
(..)All das verdichtet Neuner zu einem selten skurrilen Theateralptraum. Ein köstlicher, wahrlich abgespaceter Spaß.(..) Claudia Teibler · Münchner Merkur · 5.5.94